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Kunst Leben: Monira Al Qadiri
Künstlerin Monira Al Qadiri | Raisa Hagiu

Kunst Leben: Monira Al Qadiri

31. Mai 2023

Berlin ist für Kunstschaffende nach wie vor ein Eldorado der Möglichkeiten, wenngleich auch hier die Rahmenbedingungen nicht einfacher werden. In loser Reihenfolge wollen wir mit KünstlerInnen, die hier leben und arbeiten, über Inspirationen, Kollaborationen und anstehende Projekte sprechen.

Künstlerin Monira Al Qadiri I Foto: Raisa Hagiu

Sie sind ein echter globaler Nomade: Geboren im Senegal, aufgewachsen in Kuwait, haben Jugend und frühes Erwachsenenleben in Japan verbracht, sieben Jahre lang in Beirut gelebt und jetzt in Berlin. Was inspiriert Sie hier? Wie nehmen Sie die lokale Kunstszene wahr?

Meines Erachtens ist Berlin die Stadt für KünstlerInnen. Man ist umgeben von kreativen Köpfen, Galerien und kulturellen Institutionen. Von allen Seiten erhalte ich inspirierende Eindrücke und stehe immer im Austausch mit anderen KünstlerInnen. Was mich bis heute positiv überrascht und in mir ein Wohlbefinden auslöst, ist, dass der Beruf als KünstlerIn hier auch als solcher anerkannt wird und hohes Ansehen genießt. Das ist an den wenigsten Orten so. Für mich persönlich ist es auch schön, dass hier viele Menschen arabischstämmiger Abstammung leben. Das hat mir als gebürtige Kuwaiterin den Anschluss anfangs sehr erleichtert.

Sie sind bekannt geworden durch Ihre Videos und Skulpturen, die sich mit der "Petro-Kultur" und der Abhängigkeit des modernen Lebens von fossilen Brennstoffen beschäftigen. Sie haben einmal gesagt: "Öl ist eine zerstörerische Kraft, aber in gewisser Weise ist es auch ein Wunder". Können Sie das erklären?

(Erd)Öl ist nicht nur Brennstoffquelle, sondern auch die Basis für eine Vielzahl von Substanzen, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind – die Nebenprodukte der petrochemischen Industrie: Benzin, Diesel, Benzol, Asphalt, Plastik, Polyester, Kosmetika, Medikamente, Farben. Öl tritt in so vielen verschiedenen Formen auf, dass für uns kaum nachvollziehbar ist, wie viele Wandlungsprozesse es durchlaufen hat und wozu es sich noch entwickeln wird. Es gilt als Vorbote sowohl fantastischer Wunder als auch schrecklicher Flüche. Erdöl hat uns moderne Menschen in eine doppelte Falle gelockt und in ein ewiges Dilemma verstrickt, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt.

94 Prozent des kuwaitischen Reichtums beruhen auf den Einnahmen aus der Ölförderung. Dieser Markt wird jedoch irgendwann zusammenbrechen. Sie sind immer noch kuwaitische Staatsbürgerin, wie sehen Sie die Zukunft Ihres Landes?

Es ist traurig, es so zu sagen, aber ich hoffe, dass der Kollaps der Ölindustrie bald kommen wird. Davon würden alle profitieren. Wenn der Markt zusammenbrechen würde, gäbe es vielleicht ein Comeback von herkömmlichen Lebensformen oder (notgedrungen) einen wissenschaftlichen Durchbruch, der unsere Fesseln der Abhängigkeit lösen würde. Auch die Natur würde es freuen. Die Ölindustrie ist bekanntlich ein Feind für die Umwelt, denn sie macht eine Klimakatastrophe unvermeidlich. Das Ende des Öls würde die Selbstheilung der Natur ermöglichen.

Seit April und bis zum 2. Juli 2023 ist Ihre große Einzelausstellung „Mutant Passages“ im Kunsthaus Bregenz zu erleben. Worum geht es?

Die Ausstellung präsentiert neue Arbeiten von mir, die eigens für das Kunsthaus Bregenz konzipiert wurden. Sie sind das Ergebnis intensiver Forschung zum Thema Öl. Formen und Ideen, die ich in den letzten zehn Jahren dazu entwickelt habe, kulminieren in diesen Werken. Die Dramaturgie der Exponate spürt den unterschiedlichen Pfaden des Rohstoffs Öl nach, beleuchtet die verschiedenen Formationen und Geschichten, die es hervorgebracht hat: die Brüche in Geschichte und Biologie, für die es verantwortlich ist, seine komplexe Technologie und schließlich die existenziellen Fragen, zu deren Betrachtung es uns zwingt.